Hsipaw ist spürbar anders: Wir bemerken hier eine für ganz ungewohnte Stimmung, denn die meisten Menschen hier im Nordosten sind merklich kühler bis abweisend. Ein Lächeln wird selten beantwortet und allgemein bekommt man wenig Reaktionen. Wir grübeln, woran dies liegen könnte – die Region ist bis heute noch geprägt von Kämpfen zwischen Separatisten und Regierungstruppen, der Regionalstolz anhand von Kleidungsstücken und deutlich sichtbar. Führt dies zu der wahrgenommen, angespannten Atmosphäre oder liegt die Kühle einfach im Naturell der Menschen hier? Vollkommen wohl und entspannt fühlen wir uns hier, im Gegensatz zu den restlichem Land, nicht – Schade, da die Region ansonsten einiges zu bieten hat!
Aber der Reihe nach:
Als Beförderungsmittel für die Reise nach Hsipaw haben wir uns dieses Mal für den Zug entschieden, da diese Strecke als eine der schönsten im ganzen Land gilt und über den Viadukt von Gokteik führt. Dieser war zu seiner Erbauungszeit die größte freistehende Brücke der Welt. Gebaut wurde er von einer amerikanischen Baufirma – und somit angeblich das einzige größere Bauwerk im britischen Empire, das von Yankees erbaut wurde.
Die Zugfahrt selbst ist ein Erlebnis: der Zug gondelt mit durchschnittlich 20 km/h mit offenen Fenstern durch die Landschaft. Wenn man die Augen schließt, könnte man denken, man befinde sich mit leichten Seegang auf dem Wasser oder auf dem Rücken eines Kamels, so schaukelig ist es. So beruhigend das Geschaukel ist, nach sieben Stunden reicht es dann auch wieder…
Die Landschaft ist, im Vergleich zu den bisherigen Regionen, abwechslungsreich. Wir sehen Gemüse- und Reisfelder, trockenere Hügelzüge und jede Menge winkende Kinder – der zweimal täglich vorbeiratternde Zug scheint das Highlight der unter 5-jährigen zu sein. Für großes Hallo in Touristenabteil sorgte wiederum die unangekündigten Fahrt durchs Feuer bei, wie erwähnt, offenen Fenstern… Später erfahren wir, dass diese Brände nötig sind, um trockenes Laub und Unterholz zu entfernen, damit es im Hitzemonat April nicht zu unkontrollierten Bränden kommt.
Unsere Unterkunft, Kumudra Hill, liegt wunderschön auf einem Hügel am Stadtrand, mit Blick auf die „Berge“ der Umgebung. Tomas, unser französischer Gastgeber, lebt schon lange in Myanmar. Er hat früher für eine NGO gearbeitet und sich mit Kumudra Hill einen Traum erfüllt. Wir sind uns jedoch nicht so ganz sicher, ob der Traum für ihn ein Stück weit zum Albtraum geworden ist: obwohl das sehr geschmackvoll eingerichtete und mit liebevollen Details versehene Haus erst seit ein paar Monaten eröffnet hat, wirkt es etwas verwohnt. In einer Unterhaltung mit ihm bricht seine Verzweiflung über das schlechte Material förmlich aus ihm heraus. Auch wurde aus seinem Plan, das Hotel nach 8 Monaten Bauzeit zu eröffnen nichts, sondern es dauerte ganze 2 1/2 Jahre. Aus anderer Quelle wissen wir, dass man als Ausländer einen einheimischen Partner beteiligen muss. In diesem Fall hier, haben wir die Vermutung, dass diese „Partnerschaft“ nicht ohne Spannung. Die eingangs beschriebene ungewohnte Atmosphäre, wurzelt durchaus auch darin, dass wir beide die Spannung sowohl zwischen den zwei Partnern wahrnehmen, als auch dass die jungen männlichen Angestellten im Hotel indifferent und nachlässig im Umgang wirken. Wie schade!
Eine ganz andere Erfahrung machen wir am nächsten Tag bei einer Halbtagstour: unser Guide Soney hat eine ganz andere Einstellung. Er ist sehr liebenswert, hilfsbereit und neugierig auf andere Menschen und Kulturen und erzählt uns, welche Hebel er alle in Bewegung gesetzt hat, um sein Englisch zu verbessern. Soney ist optisch ein Original! Tomas erzählt uns später lachend, dass dieser sich, gerade im Winter, gerne wie seine Oma kleide. Kein Mensch würde hier sonst so rumlaufen.
Der Ausflug selbst ist interessant. Wir fahren mit einem Longboat den Fluss hinauf, wandern zu einem Kloster und erfahren viel über die Fauna und Landwirtschaft (Anbau von Ananas, Mango, Papaya, Litschi fürs Inland, sowie Getreide und Mais für den Export nach China). Im Kloster sind große Vorbereitungen in Gange, da in ein paar Tagen ein Fest zu Ehren der fünfzehn Novizen aus den umliegenden Dörfern stattfinden wird. Soney erklärt, dass es in den Sommerferien üblich wäre, dass Jungs einige Tage als Novizen im Kloster verbringen. Generell gehört es in Myanmar zu buddhistischen Tradition, dass ein Mann mindestens einmal in seinem Leben in ein Kloster geht. Das Kloster selbst ist kein optisches Juwel, gilt in der Region aber als besonders, da es im zweiten Weltkrieg im Bombenhagel, der die Umgebung verwüstet hatte, unversehrt blieb. Der Innenraum ist spartanisch, das Kloster wirkt insgesamt, im Gegensatz zu den bisher besichtigten Prachtbauten, wie ein Stück aus dem alltäglichen Leben. Ganz selbstverständlich werden wir auf eine Tasse Tee und Kekse eingeladen und unterhalten uns ausführlich mit Soney über dessen Leben. Hierbei erfahren wir, dass er nepalesischer Abstammung ist, da sein Urgroßvater als Gurkha mit den englischen Kolonialtruppen in die Region kam.
Anschließend führt uns Soney noch durch ein kleines Dorf mit typischen Pfahlbauten aus Bambus. Die Einwohner sind zwar an den Bahnverkehr angeschlossen, verfügten aber bis vor wenigen Jahren noch über keinerlei Elektrizität. Erst durch die Anschaffung von Solarpanelen kommen die Dörfler in den spärlichen Genuss von etwas Strom, natürlich aber nur außerhalb der knapp viermonatigen Regenzeit. In einem kleinen Laden essen wir schließlich die leckersten Shan-Nudeln (Nudelsuppe mit breiten Reisnudeln und frischen Tomatensud) unserer Reise.
Auf dem Rückweg kommen wir mit unserem Boot an vielen Wasserbüffeln vorbei, die die Mittagshitze zu einem ausgiebigen Bad nutzen. Die wertvollen Tiere streifen während der Sommerzeit frei umher und werden erst zur Erntezeit von den Bauern wieder zusammengesucht. Laut Soney haben die Bauern ein inniges Verhältnis zu den für sie so wertvollen Nutztieren, sie kämen deswegen nicht auf die Idee, diese zu essen, und bestatten sie nach ihrem Tod
(Sein O-Ton mit schelmischen Lächeln: Die haben gerade Urlaub, erkunden deshalb die Umgebung und vergnügen sich – also genauso wie ihr!)
Eine Besonderheit von Hsipaw, die wir leider nicht mehr besichtigen, ist der Shan-Palast: In den 60er Jahren verliebte sich eine Österreicherin während des Studiums in den USA in einen Birmanen und heiratete ihn. Erst bei der Ankunft in Hispaw stellte sie dann aufgrund des riesigen Empfangskomittees fest, dass ihr Ehegatte ein lokaler Prinz war. Leider hatte diese Geschichte kein Happy-End, da ihr Mann nach dem Scheitern der Unabhängigkeitsbestrebungen der Region verhaftet wird und bis heute verschollen bleibt. Inge Sargent schafft es schließlich mit ihren Kindern aus dem Hausarrest in Hsipaw über Österreich in die USA zu fliehen.
Die herrschaftliche Villa kann man heutzutage besichtigen und von einer Cousine des Prinzen aus erster Hand Details über diese Geschichte erfahren.

















Wahnsinn was ihr alles erlebt. Unser eins ist hier im Alltag von ganz anderen Themen geplagt, da macht es umso mehr Spaß von euren tollen Erlebnisse zu lesen. Passt gut auf euch auf!
Bin auch eine begeisterte Tagebuchleserin, dank Papa Volker. Tolle Bilder von Tempeln und Klöstern. Aber auch viele Strapazen. Wie organisiert man nur eine solche Reise mit den abenteuerlichsten Fortbewegungsmitteln?
Gute Reise weiterhin Margret